Neben kleineren Befugnisverschiebungen zu den Gemeinschaften und Regionen und einigen Anpassungen des Finanzierungssystems hat diese vorerst letzte Staatsreform die Beendigung der Föderalisierung Belgiens zum Ziel. Im ersten Artikel der Verfassung wird Belgien als „Föderalstaat, der sich aus den Gemeinschaften und den Regionen zusammensetzt", definiert. Das belgische parlamentarische System mit zwei gleichwertigen Kammern wird reformiert beziehungsweise durch ein differenziertes System ersetzt, in dem die Abgeordnetenkammer vorrangig die üblichen parlamentarischen Aufgaben (Verabschiedung der Gesetze und des Haushaltsplans, Kontrolle der Föderalregierung) wahrnimmt und der Senat in erster Linie ein Denkforum und Begegnungsort der Gliedstaaten Belgiens sein soll. Die Wallonen und die Flamen entscheiden über die Zusammensetzung ihrer Parlamente, den Wallonischen Regionalrat und den Flämischen Rat in Direktwahl, ein Recht, das die Brüsseler für ihren Regionalrat bereits seit 1989 und die Deutschsprachigen für den RDK/RDG sogar schon seit 1974 besaßen. Zudem wird den Gemeinschafts- und Regionalräten mit Ausnahme des Brüsseler Regionalrates und des RDG eine gewisse Selbstbestimmung, die sogenannte „konstitutive Autonomie", zuerkannt. Die Befugnisse des Föderalstaates sowie der einzelnen Gliedstaaten auf internationaler Ebene werden verdeutlicht und kohärenter gestaltet. Schließlich wird die Provinz Brabant in einen flämischen und einen wallonischen Teil gespalten, so dass sich Belgien nun aus 10 Provinzen zusammensetzt; der Schutz der Sprachminderheiten wird den neuen Gegebenheiten angepasst.
Durch das Gesetz vom 16. Juli 1993 werden die Befugnisse der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf die Grundgesetzgebung über die Öffentlichen Sozialhilfezentren ausgedehnt; außerdem wird das Finanzierungssystem der Deutschsprachigen Gemeinschaft angepasst.
Dach der Verabschiedung dieses Gesetzes bildet das deutsche Sprachgebiet einen eigenen Wahlkreis für die Europawahlen und entsendet 1994 einen direkt gewählten Vertreter in das Europäische Parlament.
Nach den Neuwahlen 1995 entsendet der Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft erstmals ein Mitglied in den reformierten, 71 Mandate umfassenden Senat.
Artikel 139 der belgischen Verfassung sieht die Möglichkeit für die Deutschsprachige Gemeinschaft vor, im deutschen Sprachgebiet Befugnisse der Wallonischen Region ganz oder teilweise auszuüben. Dazu bedarf es eines gegenseitigen Einvernehmens zwischen der Deutschsprachigen Gemeinschaft und der Wallonischen Region. Nach 1994, als die Ausübung des Denkmal- und Landschaftsschutzes übertragen wurde, kommt diese Bestimmung seit dem 1. Januar 2000 zum zweiten Mal zur Anwendung, denn seit diesem Zeitpunkt übt wird die Gemeinschaft die Zuständigkeit für den Bereich Beschäftigungspolitik aus.