Sitzung vom 03. Oktober 2002

Bericht über die Armut – Stellungnahme der Regierung

Punkt 20 :

1. Beschlussfassung

Die Regierung verabschiedet die Stellungnahme zum „Bericht über die Armut“.
Der Minister für Jugend und Familie, Gesundheit und Soziales wird beauftragt diese Stellungnahme an den Dienst zur Bekämpfung von Armut, prekären Lebensumständen und sozialer Ausgrenzung sowie an den Minister für soziale Eingliederung weiterzuleiten.

2. Erläuterungen

Die Regierung beauftragte den Minister für Jugend und Familie, Gesundheit, Denkmalschutz und Soziales in seiner Sitzung vom 20. Dezember 2001 mit der Ausführung der Schritte, die laut Artikel 4 des Kooperationsabkommens von Mai 1998 zwischen dem Föderalstaat, den Gemeinschaften und den Regionen über die Kontinuität der Politik im Bereich Armut im Anschluss an das Erscheinen des Berichtes über die Armut vorgesehen sind.
Gemäß Artikel 4 des Kooperationsabkommens ist der Bericht sowohl dem Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft als auch dem Wirtschafts- und Sozialrat und dem Jugendhilferat zugestellt worden.
Der Wirtschafts- und Sozialrat sowie der Jugendhilferat haben der Regierung ihre Stellungnahmen zukommen lassen.

Jugendhilferat: Der Jugendhilferat weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der Bericht kaum gesondert auf die Situation in der Deutschsprachigen Gemeinschaft eingeht.
Aus seiner Sicht besteht für die Deutschsprachige Gemeinschaft prioritär Handlungsbedarf in den Bereichen sozialer Wohnungsbau, Kostenlosigkeit des Unterrichts (Klassenfahrten, Schulmaterial, Sportaktivitäten,...), Einrichten einer Unterstützung für Elternteile, die auf eine eigene Berufstätigkeit verzichten, um ihre Kinder zu betreuen (Erziehungsgeld) und Zugang zu kulturellen Veranstaltungen.
Generell steigt auch in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, laut Jugendhilferat, die Anzahl deren Einkommen das Existenzminimum kaum überschreitet.

Wirtschafts- und Sozialrat: Der Wirtschaft- und Sozialrat bemängelt in seiner Stellungnahme, dass nicht ersichtlich ist, ob und in welchem Maße hiesige Organisationen, die als Sprachrohr der Meistbenachteiligten auftreten, bei den Vorbereitungen zu diesem Bericht impliziert waren.
Er regt eine Weiterführung der Arbeit der Arbeitsgruppe Sozialberichterstattung an, die unter anderem die Thematik der Alleinerziehenden weiter vertiefen und andererseits den Werdegang der bei der ersten Erhebung befragten Personen untersuchen sollte.
Angesichts der multifaktoriellen Dimension der Thematik und der Schwierigkeit, Armut zu messen, empfiehlt der Rat zu prüfen, ob die Einrichtung eines Statistischen Amtes mittelfristig für die DG einen Mehrwert bringen und Kräfte bündeln könnte.
Der Rat weist darauf hin, dass das Einkommen aller Minimex– und Sozialhilfeempfänger in Belgien, laut EU-Norm unter der Armutsgrenze liegt. Betroffen sind vor allen Dingen Frauen, Jugendliche und Niedrigqualifizierte. Hier unterstützt der Rat die im Bericht geforderte Bewertung der Beschäftigungspolitik und räumt auch der Ausbildung (sowohl der schulischen wie der beruflichen) einen wichtigen Platz im Kampf gegen die Armut ein. Vor allen Dingen, weil die anvisierte Flexibilisierung des Arbeitsmarktes die Stabilität der Beschäftigungen stark beeinflussen kann. Zuletzt weist der Rat darauf hin, dass im Rahmen der bestehenden Kompetenzen sowohl Handlungsspielraum als auch -bedarf besteht.

Der Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat in seiner Sitzung vom 15. April dieses Thema debattiert und es ist ebenfalls in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse II, III und IV behandelt worden.
Anlässlich der Debatte im RDG haben sich alle Fraktionen zum Armutsbericht geäußert.
Folgende Aspekte wurden dabei thematisiert : die Notwendigkeit der Datenerhebung unter Berücksichtigung von allgemein anerkannten Indikatoren zur Messbarkeit der Armut, die steigende Überschuldung, die besondere Risikogruppe „Frauen“ und die Notwendigkeit gezielter Maßnahmen für Frauen (außerschulische Betreuung, Alimentenfonds), die Kostenlosigkeit des Unterrichts, spezifische gesundheitsfördernde Maßnahmen für sozial schwache und ausgegrenzte Familien. Die Methode des Dialogs mit den direkt Betroffenen wurde allgemein anerkennend betont. Der Wunsch einer aktiveren Einbeziehung der Deutschsprachigen Gemeinschaft bei der Erstellung des nächsten Berichtes wurde geäußeert
Der Bericht ist aus diesem Grund ebenfalls allen Kabinetten und Ministerien der Deutschsprachigen Gemeinschaft, dem Arbeitsamt der Deutschsprachigen Gemeinschaft und der Dienststelle für Personen mit einer Behinderung und den Öffentlichen Sozialhilferäten zugestellt worden.
Aus den Stellungnahmen des Wirtschafts- und Sozialrates sowie des Jugendhilferates, der Debatte im RDG und einer internen Konzertierung der Kabinette und Ministerien resultieren die Schwerpunkte, die in der Stellungnahme der Regierung vorgestellt werden. In dieser Stellungnahme werden folgende Themen als Prioritäten der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft aufgelistet : Einrichtung und Strukturierung einer ständigen Sozialberichterstattung, Prüfung der Notwendigkeit der Einrichtung eines Sozialfonds, Untersuchung über die in den verschiedenen Öffentlichen Sozialhilfezentren der Deutschsprachigen Gemeinschaft angewandten Kriterien und Modelle zur Rückerstattungen von Gesundheits- und Pflegekosten, Einführung eines Systems, das den Zugang zu Kulturveranstaltungen für sozial schwache und ausgegrenzte Menschen erleichtert. Ausbau der Kleinkindbetreuung, Förderung des Angebots von kostengünstigem und gleichzeitig familiengerechtem Wohnraum, im Bereich Schule die Erstellung einer Materialliste, die wiedergibt, welche Kosten den Eltern angerechnet werden dürfen.
In Ihrer Stellungnahme weist die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft den Minister für soziale Integration und den Dienst zur Bekämpfung der Armut jedoch auf die besondere Situation der Deutschsprachigen hin, die gekennzeichnet ist durch eine weit verbreitete versteckte Armut und durch den ländlichen Charakter der Gegend. Diese Kennzeichen werden nicht in genügendem Maße im vorliegenden Bericht berücksichtigt.
Die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft wünscht deshalb, dass bei der Erstellung des nächsten Berichtes die Aspekte der Armut und Ausgrenzung in ländlichen Gebieten verstärkt aufgegriffen werden. Sie wünscht besonders in diesem Zusammenhang eine intensivere Zusammenarbeit des „Dienstes zur Bekämpfung von Armut, prekären Lebensumständen und sozialer Ausgrenzung mit Einrichtungen und Instanzen der Deutschsprachigen Gemeinschaft.
Diese Stellungnahme wird dem Dienst zur Bekämpfung der Armut in Brüssel als offizielle Stellungnahme der Regierung zugestellt.

3. Finanzielle Auswirkungen

Keine.

4. Gutachten

Die Gutachten des Jugendhilferates vom 4. März 2002 und des Wirtschafts- und Sozialrates vom 27. März 2002 liegen vor.

5. Rechtsgrundlage

Das Kooperationsabkommen zwischen dem Föderalstaat, den Gemeinschaften und den Regionen über die Kontinuität der Politik im Bereich Armut vom 5. Mai 1998.
Das Dekret der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 30. November 1998 zur Billigung des Kooperationsabkommens vom 5. Mai 1998 über die Kontinuität der Politik im Bereich Armut.