Sitzung vom 28. Oktober 2016

Vollmacht zur Unterzeichnung des Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits

1. Beschlussfassung:

Die Regierung erteilt dem Außenminister oder seinem Vertreter Vollmacht zur Unterzeichnung in ihrem Namen des Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits. Die mit dieser Vollmacht verbundenen Vorbehalte und Bedingungen werden in den Anlagen beschrieben.

Der Ministerpräsident wird damit beauftragt, dies dem Außenminister und dem zuständigen Dienst des Außenministeriums mitzuteilen.

2. Erläuterungen:

„Auf der Grundlage der vom Rat angenommenen Verhandlungsrichtlinien hat die Europäische Kommission das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) ausgehandelt, mit dem eine moderne und privilegierte Wirtschaftsbeziehung zu Kanada aufgebaut werden soll. Mit unserem strategischen Partner Kanada verbindet uns in der Europäischen Union eine auf gemeinsamen Werten und Interessen basierende Vergangenheit; mit Blick auf die Zukunft möchten wir nun das Fundament für eine positive, vorwärtsgewandte Ausgestaltung unserer Beziehungen legen. Damit dürften sich neue Möglichkeiten für den Handel und für Investitionen zwischen der Europäischen Union und Kanada erschließen, insbesondere durch einen verbesserten Marktzugang für Waren und Dienstleistungen sowie bessere Handelsregeln für Wirtschaftsteilnehmer.

Zu diesem Zweck haben die EU und Kanada ein Abkommen ausgehandelt, das auf beiden Seiten des Atlantiks neue Handels- und Investitionschancen für Wirtschaftsteilnehmer bieten wird. Zudem verdeutlichen beide Seiten mit diesem Abkommen, wie wichtig es ist, dass sich das Wirtschaftsgeschehen im Rahmen einer klaren, transparenten Regulierung durch staatliche Behörden vollzieht, und dass sie das Regelungsrecht im öffentlichen Interesse als ein wesentliches Grundprinzip des Abkommens betrachten.“ So steht es in der entsprechenden Begründung der EU.

Am 1. August 2014 wurden die CETA-Verhandlungen auf der Ebene der Chefunterhändler abgeschlossen und das Abkommen paraphiert. Am 26. September 2014 verkündeten Präsident Barroso, Präsident Van Rompuy und Premierminister Harper auf dem EU-Kanada-Gipfel das Ende der CETA-Verhandlungen, woraufhin der Text des Abkommens noch am selben Tag veröffentlicht wurde. Nach der Rechtsförmlichkeitsprüfung wurde der Text des CETA am 29. Februar 2016 veröffentlicht.

Aufgrund von ernsthaften Bedenken in mehreren Mitgliedsstaaten – so auch in Belgien -wurden die Verhandlungen später neu eröffnet. 

Die Vollmacht für den belgischen Außenminister zur Unterzeichnung des Abkommens wurde seitens der Deutschsprachigen Gemeinschaft bis zum heutigen Tage NICHT erteilt.

Die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft hat sich zwar grundsätzlich für ein solches Abkommen ausgesprochen, daran aber zahlreiche Bedingungen geknüpft.

Sie hat beschlossen, die Vollmacht zur Unterzeichnung des CETA-Abkommens nur dann zu erteilen, wenn zum Beispiel sichergestellt werden kann,

  1. dass europäische Qualitätsstandards, soziale Standards und Prinzipien der Lebensmittelsicherheit und des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen nachweisbar nicht beeinträchtigt werden;

  2. dass die Gesetzgebungshoheit demokratisch legitimierter Regierungen unantastbar bleibt.

    Nationale, regionale und lokale Behörden dürfen in ihrem Recht, demokratisch legitimierte Maßnahmen zu ergreifen, nicht beeinträchtigt werden;

  3. dass demokratisch legitimierte Regierungen weiterhin uneingeschränkt autonom über die Unterstützung von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen oder zum Schutz der sprachlichen und kulturellen Vielfalt entscheiden dürfen;

  4. dass die öffentliche Daseinsvorsorge besonders geschützt wird;

  5. dass öffentliche Dienstleistungen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wasserversorgung, Gesundheit und Soziales besonders geschützt werden;

  6. dass es definitiv keine privaten Schiedsgerichtsmechanismen gibt;

  7. dass die EU-Grundrechtsnormen für Menschenrechte nicht beeinträchtigt werden,

  8. dass die WTO- und ILO-Normen für Verbraucher- und Arbeiterschutz nicht beeinträchtigt werden;

  9. dass die europäischen Normen für Umwelt und Nachhaltigkeit nicht abgesenkt werden;

  10. dass die klimapolitischen Ziele der EU nicht in Frage gestellt werden;

  11. dass der EU-Rechtsrahmen zum Schutz personenbezogener Daten nicht beeinträchtigt wird.

Die Regierung der DG hat in diesem Zusammenhang die Veröffentlichung einer rechtsverbindlichen Stellungnahme der Vertragsparteien eingefordert, die unter anderem garantiert,

  1. dass das transnationale Handelsgericht ICS nicht die nationale und regionale Gesetzgebungshoheit beeinflusst. ICS muss angemessene Berufungsinstanzen umfassen. Seine Richter müssen öffentlich-rechtlich von den Vertragsparteien bezeichnet werden;

  2. dass öffentliche Dienste und das Recht der Mitgliedstaaten, über öffentliche Dienstleistungen zu bestimmen, nicht beeinträchtigt werden;

  3. dass das Kapitel über Nachhaltige Entwicklung, einschließlich der Bestimmungen der WTO, umgesetzt wird.

Außerdem hat die Regierung der DG eingefordert, dass weiterhin allein die nationalen und regionalen Parlamente über Bestimmungen ihrer Kompetenzen entscheiden dürfen. Das provisorische Inkrafttreten sogenannter „gemischter“ Vertragsinhalte (z.B. ICS) muss somit kategorisch ausgeschlossen werden.

Im Rahmen der intensiven innerbelgischen Konzertierungen und in Verhandlungen mit der EU-Kommission konnten mittlerweile alle Bedingungen der Regierung DG erfüllt werden.

Am 27.10.2016 stimmte der Konzertierungsausschuss einem entsprechenden Gesamtpaket zu, das innerhalb von 1,5 Tagen allen zuständigen Gremien zur Beschlussfassung vorgelegt und den 27 anderen Mitgliedstaaten unterbreitet werden soll.

Vertreter aller Regierungen Belgiens kündigten im Konzertierungsausschuss ihre Bereitschaft an, sich unter diesen Voraussetzungen für die Erteilung der Vollmacht zur Unterzeichnung des Abkommens einzusetzen.

Sollten alle Regierungen Belgiens und die 27 anderen Mitgliedsstaat dem Gesamtpaket zustimmen, kann CETA unterzeichnet werden. Gleichzeitig wurde sichergestellt, dass wesentliche Bestandteile des Abkommens erst dann in Kraft treten können, wenn alle Parlamente das Abkommen ratifiziert haben. Außerdem hat Belgien sich  Ausstiegsklauseln vorbehalten.

Dieses Abkommen bietet der EU und ihren Mitgliedsstaaten die Gelegenheit, dem freien Handel rechtsverbindliche Grenzen und transparente Regeln aufzuerlegen.  Erstmals ist es gelungen, in einem internationalen Freihandelsabkommen die hohen europäischen Standards durchzusetzen. Erstmals wurde auf private Schiedsgerichte verzichtet. Stattdessen wird ein öffentlich-rechtliches, unabhängiges  Investitionsgericht für den freien Handel zwischen EU und Kanada eingerichtet, dem später weitere Staaten beitreten können. Das mittelfristige Ziel besteht darin, einen multilateralen, internationalen Handelsgerichtshof zu schaffen. Alle Richter sollen unabhängige, möglichst Vollzeit beschäftigte, von der öffentlichen Hand bezahlte und von der Privatwirtschaft unabhängige Magistrate sein, die einem strengen Verhaltenskodex unterworfen werden.

Außerdem wird die Privatisierung wichtiger öffentlicher Dienstleistungen verhindert. Die Landwirtschaft wird besonders geschützt. Das Vorsorgeprinzip bleibt gewahrt. Im Gegensatz zu früheren Freihandelsabkommen wird das Recht öffentlicher Behörden, demokratisch legitimierte Entscheidungen zu treffen, weder direkt noch indirekt behindert.

Das vorliegende Abkommen kann und sollte als Vorbild für alle Freihandelsabkommen dienen.

Bei diesem völkerrechtlichen Vertrag handelt es sich um einen gemischten Vertrag im Sinne von Art. 167 § 4 der Verfassung. Zuständig sind die Föderalbehörde, die Gemeinschaften und die Regionen.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Der Beschluss hat keine unmittelbare finanzielle Auswirkung.

4. Gutachten:

Gemäß Art. 28 i.V.m. Art. 25 des Erlasses der Regierung vom 15. Juni 2011 zur Ausführung des Dekretes vom 25. Mai 2009 über die Haushaltsordnung der Deutschsprachigen Gemeinschaft sind weder das Gutachten der Finanzinspektion noch das des Haushaltsministers erforderlich.

5. Rechtsgrundlage:

Art. 6 des Zusammenarbeitsabkommens vom 8. März 1994 bezüglich der Bestimmungen für den Abschluss von gemischten Verträgen (B.S. v. 17. Dezember 1996, S. 31342)