Sitzung vom 6. Oktober 2016

Dekretentwurf zur Förderung des Tourismus

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in dritter und letzter Lesung den Entwurf eines Dekretes zur Förderung des Tourismus.

Die Vize-Ministerpräsidentin, Ministerin für Kultur, Beschäftigung und Tourismus wird beauftragt, den Entwurf im Parlament zu hinterlegen.

2. Erläuterungen:

Anlässlich der sechsten Staatsreform wurde die Zuständigkeit „Tourismus“ bei den Regionen angesiedelt. Verhandlungen mit der wallonischen Region mündeten in die Dekrete vom 27. und 31. März 2014 über die Ausübung der Zuständigkeiten der Wallonischen Region im Bereich des Tourismus durch die Deutschsprachige Gemeinschaft. Die Befugnisübertragung ist integral, d.h. sie schließt die Niederlassungsbedingungen und den Zugang zum Beruf ein.

Damit verfügt die DG nun im Bereich Tourismus über ein kohärentes Befugnispaket, welchem der vorliegende Dekretentwurf Rechnung trägt.

Die Regierung nimmt dies zum Anlass, ein Dekret auf den Weg zu bringen, das alle Zuständigkeiten im Tourismus übersichtlich regelt. Der Dekretentwurf legt somit die Bedingungen fest für:

  • Organisation und Akteure des Tourismus
  • die Bezuschussung touristischer Organisationen;
  • die Bezuschussung von Initiativen zur Förderung des Tourismus.
  • Betriebsbedingungen und Einstufung touristischer Unterkunftsbetriebe.

Bei Verstößen von Betreibern einer touristischer Unterkunft gegen die Bestimmungen des Dekretes sieht der Entwurf Verwaltungsstrafen vor. 

Der Staatsrat hat zum 1. Dekretvorentwurf ein negatives Gutachten ausgestellt. Wesentliche Kritikpunkte:

  • die verpflichtete Anerkennung für touristische Unterkünfte widerspreche der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie bzw. sei nicht hinreichend begründet.
  • es sei notwendig, Organisation, Aufgaben und Finanzierung der Tourismusagentur Ostbelgien über ein eigenes Dekret gesetzlich zu regeln.

Der 2. Dekretvorentwurf berücksichtigte die Anmerkungen des Staatsrates zur Anerkennung in vollem Umfang.

So sieht der aktuelle Entwurf keine verpflichtete Anerkennung mehr vor. Für den Betrieb einer touristischen Unterkunft müssen allgemeine Betriebsbedingungen erfüllt sein. Ebenso werden pro Unterkunftskategorie Mindestkriterien vorgegeben, die vor allem dem Bedarf und den Erwartungen der Gäste entsprechen. Die DG folgt damit dem Beispiel Flanderns.

Betriebsbedingungen und Mindestkriterien pro Kategorie werden nicht systematisch kontrolliert, sondern in Stichproben. Unabhängig von der Bezeichnung der Unterkunft in Titel und Werbung legt die Regierung auf Grundlage der Definitionen des Dekretes die Kategorie fest, deren Mindestkriterien zu erfüllen sind.

Zudem räumt der Entwurf dem Gast die Möglichkeit ein, bei der Regierung Beschwerde gegen einen Unterkunftsbetrieb in der DG einzulegen. So kann die Regierung gezielt dort kontrollieren, beraten und falls nötig eingreifen, wo Gäste unzufrieden und Mindeststandards nicht gegeben sind.

Die Einstufung, die bislang automatisch mit der Anerkennung erfolgte, bleibt als freiwilliges Angebot bestehen.

In Anbetracht der wachsenden Wettbewerbsverzerrung durch private Anbieter, vor allem auf digitalen Tauschplattformen, wurden „Vermittler“ als Akteure im Dekretentwurf neu mit berücksichtigt. Auf Anfrage der Regierung müssen diese die Angaben ihrer Kunden auf dem Gebiet der neun deutschsprachigen Gemeinden offen legen. Denn eine Privatperson, die regelmäßig eine private Wohnung an Touristen vermietet, unterliegt den Bestimmungen des Dekretentwurfes.

Eine Anerkennung von touristischen Informationsstellen ist nicht länger vorgesehen. Der Dekretentwurf legt Bezuschussungskriterien fest, die vor allem Serviceleistungen und Servicequalität berücksichtigen. Dreistufige Bezuschussungskategorien geben mehr Flexibilität. Auch die quantitative Begrenzung im Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft wurde aufgehoben. Die Zuschüsse sind pauschale Personal- und Funktionszuschüsse.

Beim Zugang zu Zuschüssen für Ausrüstung und Initiativen zur Förderung des Tourismus wurden die auf (supra-)kommunaler Ebene agierenden Dachverbände den Verkehrsvereinen auf  lokaler Ebene gleichgestellt. Wo sich lokal nicht mehr genug ehrenamtliches Engagement findet, müssen die Akteure auf Gemeindeebene ausgleichen können. Die Basisbezuschussung für die Verkehrsvereine wird auf Grundlage des Dekretes vom 15. Dezember 2008 über die Finanzierung der Gemeinden und öffentlichen Sozialhilfezentren der Deutschsprachigen Gemeinschaft an die Gemeinden übertragen – wie dies bereits für Sport- und Kulturvereine sowie Bibliotheken gehandhabt wird.

Der Staatsrat hat in seinem 2. Gutachten vom 14. September 2016 (Gutachten 59.897/2/V) diese gründliche Revision anerkannt.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die Gemeinden in der Deutschsprachigen Gemeinschaft erhalten mit der Übertragung der Basisbezuschussung für die Verkehrsvereine die finanziellen Mittel, die im Durchschnitt der letzten drei Jahre an die Vereine in der jeweiligen Gemeinde gezahlt wurden.

Die Haushaltsmittel für die innovativen Initiativen zur Förderung des Tourismus werden nicht erhöht – es ändern sich lediglich die Kriterien zur Bezuschussung.

Erhöht werden die Personal- und Funktionszuschüsse an die touristischen Informationsstellen. In der DG wurden 2015 drei Info-Stellen bezuschusst, die der Kategorie 3 entsprechen sowie weitere drei Info-Stellen der Kategorie 2.

In 2014 wurden an die Infostellen Zuschüsse gezahlt in Höhe von insgesamt 74.318 Euro. Auf Grundlage des Dekretvorentwurfes und der darin festgelegten Pauschalen für die Kategorien 3 und 2 erhalten die Infostellen ab 1. Januar 2017 Zuschüsse in Höhe von 85.500 Euro.

Die letzte Erhöhung der Zuschüsse an Verkehrsvereine und Träger von Infostellen erfolgte zum 1. Januar 2008.

4. Gutachten:

Es liegen folgende Gutachten des Staatsrates vor:

Das Gutachten Nr. 58.869/4 zum 1. Dekretvorentwurf mit Datum vom 24. Februar 2016.

Das Gutachten Nr. 59.897/2/V zum 2. Dekretvorentwurf vom 14. September 2016. Darin gibt der Auditor neben wenigen technischen Anmerkungen nur zwei Punkte vor, die vom Gesetzgeber zu prüfen sind:

  • ob die Bezeichnung einer Tourismusagentur Ostbelgien eine „Dienstleistungskonzession“ im Sinne des Gesetzes vom 17. Juni 2016 über Konzessionsverträge darstellt (Umsetzung der Richtlinie 2014/23/EU).
  • ob in Bezug auf die „Bed & Breakfast“ in der DG die Dienstleistung „Frühstücksmöglichkeit“ nicht eine unzulässige zusätzliche Anforderung an den Dienstleistungserbringer ist bzw. ob diese durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.

Zu 1.) Ein wesentliches Merkmal der Dienstleistungskonzession ist ein wirtschaftliches Risiko des Konzessionsnehmers, „der den Gegebenheiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt ist“. Die von der Regierung als „Tourismusagentur“ anerkannte Einrichtung übt jedoch keine weitreichenden kommerziellen Tätigkeiten aus und trägt kein existentiell marktgebundenes Risiko.

Zu 2.) Insbesondere in einem ländlichen Raum ist es nicht vertretbar, Gästen ohne Frühstücksmöglichkeit eine Übernachtung anzubieten. Vielerorts gibt es keine Möglichkeit, in annehmbarer Nähe des Gästezimmers eine externe Frühstücksmöglichkeit zu nutzen oder Einkäufe zu tätigen.

Änderungen im vorliegenden Dekretentwurf haben keine finanziellen Auswirkungen, so dass keine neuen Gutachten des Finanzinspektors und des Haushaltsministers notwendig sind.

5. Rechtsgrundlage:

Sondergesetz vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen, Artikel 6 §1 VI Absatz 1 Nummern 6 und 9

Dekret vom 31. März 2014 über die Ausübung der Zuständigkeiten der Wallonischen Region im Bereich des Tourismus durch die Deutschsprachige Gemeinschaft

Dekret vom 23. November 1992 über Ferienwohnungen, Gästezimmer und Bed and Breakfast;

Dekret vom 9. Mai 1994 über Hotels und Hotelbetriebe;

Dekret vom 9. Mari 1994 über Camping und Campingplätze;

Dekret vom 17. Februar 2003 über die Anerkennung und Förderung der Verschönerungsvereine, Verkehrsvereine und deren Dachverbände sowie der Informationsbüros und Infopunkte.