Sitzung vom 17. März 2016

Dekretentwurf über Maßnahmen im Beschäftigungsbereich

1. Beschlussfassung:

Die Regierung verabschiedet in dritter und letzter Lesung den Entwurf eines Dekretes über Maßnahmen im Beschäftigungsbereich.

Die Vize-Ministerpräsidentin, Ministerin für Kultur, Beschäftigung und Tourismus wird beauftragt, den Entwurf im Parlament zu hinterlegen.

2. Erläuterungen:

Auf Grundlage des Artikels 139 der Verfassung und der gleichlautenden Dekrete zur Abänderung verschiedener Dekrete im Hinblick auf die Ausübung gewisser Befugnisse der Wallonischen Region in den Angelegenheiten Beschäftigung und Denkmalschutz durch die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) ist die DG mit Wirkung zum 1. Januar 2016 zuständig für die Beschäftigungspolitik auf ihrem Territorium. Diese Zuständigkeit hat zur Folge, dass die DG auf der selben juristischen Ebene wie die anderen Regionen auf ihrem Territorium Dekrete und Erlasse verabschieden kann.

Die neuen Zuständigkeiten betreffen:

die Aktivierungsmaßnahmen der ÖSHZ (Artikel 60 §7 und Artikel 61 des ÖSHZ-Gesetzes) und des LfA;

die wirtschaftliche Zuwanderung: die Gesetzgebung im Bereich der Arbeitserlaubnisse sowie die Gesetzgebung im Bereich der Berufskarte für Drittstaatsangehörige, die sich selbstständig machen wollen;

die aktive und passive Kontrolle des Suchverhaltens sowie die Kontrolle der „angepassten“ Verfügbarkeit der Arbeitslosen, einschließlich der entsprechenden Sanktionen;

die Freistellung von der Arbeitsuche für Arbeitslose in Ausbildung;

die Reduzierung der Sozialabgaben im Bereich der Zielgruppen:

  • ACTIVA (Langzeitarbeitslose, junge Arbeitnehmer),

  • Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (Langzeitarbeitslose, Bezuschusste Vertragsarbeitnehmer),

  • SINE (Sozialökonomie, arbeitsmarktferne Arbeitslose),

  • Artikel 60 §7 (Beschäftigung und ggf. Zurverfügungstellung durch ein ÖSHZ),

  • benachteiligte Jugendliche,

  • BÜP (Langzeitarbeitslose),

  • Erstbeschäftigungsabkommen (Jugendliche),

  • Kinderbetreuung

  • Hauspersonal

  • Künstler

  • Bagger- und Abschlepparbeiten,

  • ältere Arbeitnehmer,

  • Tutoren (Berufsausbildung),

  • Restrukturierung (Massenentlassung/Betriebsschließung),

  • verschiedene Bezuschussungssysteme:

    • Ausbildungsunterstützung,

    • Praktikumsunterstützung,

    • Arbeitswiederaufnahmezuschlag,

    • Mobilitätszuschlag,

    • Kinderaufsichtszuschlag,

    • Berufsausbildungsprämie,

    • Ausbildungsprämie LBA,

    • Niederlassungsunterstützung,

    • Übergangsprämie

    • Starterbonus

    • Praktikumsbonus

    • Globalprojekte „Emploi-jeunes“,

    • Globalprojekte „Erstbeschäftigungsabkommen“,

  • die Sozialökonomie;

  • den Berufserfahrungsfonds;

  • den bezahlten Bildungsurlaub;

  • die lokalen Beschäftigungsagenturen;

  • die Wiedereingliederung und das Outplacement;

  • die Leiharbeit (« trajets de mise au travail »).

Auch wenn die DG somit viele Hebel in Händen hält, um eine zielgerichtete Beschäftigungspolitik umzusetzen, und die Regierungserklärung vom 15. September 2015 die allgemeine Orientierung vorgibt, dass die Maßnahmen drastisch zu vereinfachen sind, so müssen in einer ersten Phase die hohe Komplexität und die Vielzahl der Regelungen verwaltet und der Übergang abgesichert werden.

Die DG ist bemüht, in einer ersten Phase möglichst alle zentralen Maßnahmen für die Nutzer in der bisherigen Form anzubieten. Dies ist eine besondere Herausforderung. Zum einen müssen 40 Einzelmaßnahmen eingerichtet werden. Zum anderen sieht das übertragene Budget keine Mittel zum Ausgleich fehlender Skaleneffekte vor. Die anteilig übertragenen Mittel für Personal- und Funktionskosten sind deshalb gering. Das Verlangen nach Bürokratieabbau ist daher kein Wunsch, sondern eine unabdingbare Voraussetzung, um die neuen Zuständigkeiten verwalten und gestalten zu können. Aus diesem Grund macht es auch bereits in einer ersten Projektphase Sinn, Maßnahmen administrativ zu entschlacken, auszusetzen oder schlicht und einfach abzuschaffen, weil es bis dato in der entsprechenden Form keinen nachweisbaren Bedarf in der DG gegeben hat.

Parallel dazu hat -  zusammen mit den politischen Fraktionen und den Sozialpartnern -  ein konzertierter und begleiteter Dialog zu thematischen Maßnahmenpaketen begonnen, um so die Beihilferegelungen zielgerichteter an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes, der Arbeitsuchenden und Arbeitgeber auszurichten.

In dieser Phase muss daher auch geprüft werden, wie die begrenzten Mittel einen echten Anreiz für die Ausbildung und Beschäftigung von älteren Arbeitsuchenden, Langzeitarbeitslosen, jugendlichen Arbeitsuchenden und Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen bieten können. Eine Voraussetzung hierfür ist auch, dass Mitnahme- und Substitutionseffekte weitgehend vermieden werden können.

Zu den Maßnahmen, die abgeschafft werden, gehören alle Maßnahmen, für die die DG keine entsprechenden Finanzmittel erhalten hat. Dieser Umstand ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass diese Maßnahmen nie beansprucht wurden bzw. nicht mehr beansprucht werden. Dies wiederum ist zum Teil der Komplexität der jeweiligen Maßnahme geschuldet. So intervenierten beispielsweise im beruflichen Übergangsprogramm (BÜP) bis dato nicht weniger als 10 (!) verschiedene Behörden:

  • das LASS und ORPSS in Sachen BÜP-LASS-Erleichterung,

  • die ÖSHZ als FrontOffice für Empfänger des Eingliederungseinkommens oder der gleichgestellten Sozialhilfe,

  • das ADG als FrontOffice für die Vermittlung der Arbeitslosen sowie die Bescheinigung der Einstellungsbedingungen,

  • das Ministerium der DG, weil es den ABM-Haushalt verwaltet,

  • die Wallonische Region mit der Genehmigung des Ressortzuschusses (Bsp. Wallonet: Umwelt),

  • das LfA mit der BÜP-aktivierten Arbeitslosenunterstützung,

  • das wallonische Forem, das die Maßnahme in einer ersten Phase für uns mitverwaltete und als Zahlstelle für die Ressortzuschüsse fungierte,

  • der SPP Soziale Integration, der das Eingliederungseinkommen und die gleichgestellte Sozialhilfe im BackOffice verwaltet, sowie

  • die CAPAC/HFA nebst Zahlstellen als FrontOffice für entschädigte Arbeitslose.

Das berufliche Übergangsprogramm war somit primär ein Beschäftigungsprogramm für Mitarbeiter in Verwaltungsbehörden. Eine LfA-Evaluation aus dem Jahre 2013 kommt ferner zu dem Schluss, dass der Netto-Effekt der BÜP-Maßnahme (Differenz in Prozent der Arbeitslosigkeitswahrscheinlichkeit zwischen einer Kontrollgruppe und der Teilnehmergruppe) sehr schlecht ist.

Von der Aufhebung sind folgerichtig auch nachfolgende ungenutzte und daher nicht gegenfinanzierte Maßnahmen betroffen:

  • die Niederlassungszulage,

  • die Übergangsprämie,

  • der Mobilitätszuschlag,

  • die LBA-Ausbildungsprämie,

  • die LASS-Reduzierung für Bagger- und Abschlepparbeiten und die Handelsmarine.

Andererseits hatte die DG in den letzten Jahren in einer Vielzahl von Maßnahmen im Vergleich zu den anderen Regionen eine überproportional hohe Inanspruchnahme zu verzeichnen:

  • Aktivierungsmaßnahmen ÖSHZ (0,9 %),

  • Artikel 60 §7-100 %-Kontingent (1,5 %),

  • Kontrolle Arbeitslose (1,27 % der Begleitplanmittel),

  • ONSS-Erleichterung Zielgruppen (0,81 %),

  • Zielgruppenermäßigung Tutoren (5,02 %),

  • ACTIVA Start (4,68 %),

  • ACTIVA Handicap (1,09 %),

  • Praktikumsunterstützung (2,24 %),

  • Sozialökonomie (1,3 %),

  • Starterbonus (2,86 %),

  • Praktikumsbonus (3 %),

  • „Emploi-jeunes“ (3 %).

Diese hohe Inanspruchnahme und günstigen Schlüssel kamen primär aus folgenden Gründen zustande: Zum einen die beharrlich-erfolgreiche Verhandlungsführung der jeweiligen DG-Delegation im Rahmen interministerieller Arbeitsgruppen. Und zum anderen die emsige Beratungstätigkeit der DG-Behörden zu Gunsten von Maßnahmen, für die wir zum betreffenden Zeitpunkt eigentlich noch nicht zuständig waren.

Dies hat jetzt für die DG die angenehme Konsequenz, dass sie über eine große Budgetmasse im Bereich der Beschäftigungspolitik verfügt, einschließlich der präventiven Beschäftigungspolitik auf Ebene der Berufsausbildung.

Nicht abgeschafft, aber ausgesetzt werden jene Maßnahmen, in denen der administrative Aufwand nicht im Verhältnis zum übertragenen Budget steht. Die Regierung möchte diese Mittel nach Rücksprache mit den im Wirtschafts- und Sozialrat der Deutschsprachigen Gemeinschaft (WSR) tagenden Sozialpartnern neu ausrichten.

Dies ist beispielsweise für den Berufserfahrungsfonds der Fall. Obwohl die DG zusammen mit dem FÖD Arbeit, Beschäftigung und Soziale Konzertierung vor einigen Jahren eine umfangreiche Sensibilisierungskampagne gestartet hatte, haben nur sehr wenige Betriebe von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Dies ist umso bedauerlicher, weil diese Maßnahme darauf abzielte, ältere Arbeitnehmer durch eine Arbeitsplatzanpassung länger in Arbeit zu halten. Weil die Themen „demografischer Wandel“, „Steigerung der Beschäftigungsquote“ und „Fachkräftemangel“ auch in Zeiten erhöhter Zuwanderung nach wie vor von Bedeutung sind, bietet sich im Dialog mit den Sozialpartnern an, diese Mittel schnellstmöglich und zielorientierter einzusetzen, als dies bis dato der Fall war.

Aus demselben Grund werden auch folgende Maßnahmen ausgesetzt, aber nicht aufgehoben:

  • Kinderaufsichtszuschlag (893 € Gesamt-DG in 2014),

  • Ausbildungsprämie (12 Anträge, 2.975 € in 2014).

Durch vorliegendes Dekret wird ferner die Gelegenheit wahrgenommen, drei europäische Richtlinien im Bereich der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer teilweise umzusetzen. Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Richtlinien:

Richtlinie 2011/98/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über ein einheitliches Verfahren zur Beantragung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten und zu arbeiten, sowie über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsarbeitnehmer, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten,

Richtlinie 2014/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer,

Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der im vorliegenden Dekret behandelt wird, ist die Schaffung von schnellstmöglicher Rechtssicherheit. Auch wenn im Falle der Übernahme von neuen Zuständigkeiten immer das Verwaltungsprinzip der Rechtsnachfolge und das Kontinuitätsprinzip Anwendung finden, so müssen trotzdem kurzfristig rechtliche Anpassungen vorgenommen werden. Dem Arbeitsamt der Deutschsprachigen Gemeinschaft müssen die neuen Aufgaben durch eine Abänderung des Dekretes vom 17. Januar 2000 zur Schaffung eines Arbeitsamtes in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zugeordnet werden. Dies trifft im besonderen Maße für die Kontrolle der Verfügbarkeit von unbeschäftigten Arbeitsuchenden zu. Da die entsprechenden Sanktionen die individuellen Rechte des Einzelnen tangieren, muss hier für uneingeschränkte Rechtssicherheit gesorgt werden. Auch wenn die Grundregeln laut Sondergesetz vom 8. August 1980 über die institutionellen Reformen vom Föderalstaat geregelt werden („cadre normatif“), muss festgelegt werden, welche Behörde – im vorliegenden Fall das Arbeitsamt – verantwortlich zeichnet.

Neben der Kontrolle der Arbeitsmarktverfügbarkeit der Arbeitslosen wird das Arbeitsamt ebenfalls zuständig für die Freistellung von der Arbeitsuche für Arbeitslose in Ausbildung und für die Auszahlung bestimmter Prämien. Ferner wird die Rechtsgrundlage geschaffen, damit das Arbeitsamt in einem rechtsverbindlichen Rahmen mit seiner Kundschaft elektronisch kommunizieren kann.

Zudem wird das Arbeitsamt beauftragt, einen Kontrolldienst einzurichten. Dieser Kontrolldienst hat zur Aufgabe, die aktive und passive Verfügbarkeit der Arbeitslosen zu prüfen und erforderlichenfalls Sanktionen auszusprechen. Ferner wurden Prozedurfragen in Zusammenhang mit der Kontrolle der aktiven Verfügbarkeit der Arbeitslosen festgelegt, um den Vorgaben des föderalen normativen Rahmens zu entsprechen.

Doch nicht nur das Arbeitsamt übernimmt neue Aufgaben. Auch das Institut für Aus- und Weiterbildung im Mittelstand und in kleinen und mittleren Unternehmen (IAWM) übernimmt einen Teil der Verantwortung, indem es für die Gewährung und die Auszahlung des sogenannten Praktikums- und Starterbonus zuständig wird. Im Hinblick auf die anzustrebende Verwaltungsvereinfachung macht es Sinn, die Bearbeitung dieser Maßnahme direkt beim IAWM anzusiedeln. Die Antragsakten in diesem Bereich betreffen fast ausnahmslos das mittelständische Ausbildungswesen. Das IAWM kann kurzfristig diese Zuschüsse ganz ohne Antragsverfahren und Formulare auszahlen, da das IAWM über die authentischen Daten zu den Ausbildungsverträgen verfügt. Die Verwaltung dieser Maßnahme würde somit eine signifikante administrative Erleichterung erfahren; nicht nur für die Mitarbeiter in der Behörde, sondern vor allen Dingen in der Buchhaltungsabteilung der Ausbildungsbetriebe und bei den Lehrlingen und deren Erziehungsberechtigte.

Der vorliegende Dekretentwurf sieht vor, dass die Zuständigkeit einiger föderaler Gremien für die Deutschsprachige Gemeinschaft abgeschafft wird. Dies ist die logische Konsequenz der Resolution des Parlamentes vom 27. Juni 2011, in der festgehalten wurde, dass die DG bereit, gewillt und in der Lage ist, mit jeweils angemessenen Finanzmitteln oder Finanzierungsmöglichkeiten alle Zuständigkeiten wahrzunehmen.

Deshalb möchte die Regierung für ihre Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Ausbildungs- und Beschäftigungspolitik in den neuen Zuständigkeiten weiterhin auf die Zuarbeit der hiesigen Sozialpartner setzen. Der Wirtschafts- und Sozialrat der Deutschsprachigen Gemeinschaft (WSR), wie er durch Dekret vom 26. Juni 2000 geschaffen wurde, bildet hierfür die geeignete Plattform. Es dient in der Tat nicht der administrativen Erleichterung und Übersichtlichkeit, wenn Konsultationsfragen in jeder Rechtsgrundlage separat oder gar unterschiedlich geregelt werden.

Das Übereinkommen Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation über den Beschäftigungsschutz und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit hält überdies in Artikel 29 fest: „Wenn die Verwaltung unmittelbar von einer dem Parlament verantwortlichen Regierungsstelle wahrgenommen wird, sind Vertreter der geschützten Personen und der Arbeitgeber unter vorgeschriebenen Voraussetzungen an der Verwaltung in beratender Eigenschaft zu beteiligen.“ Diese Bedingung wird durch die Abänderungen des vorliegenden Dekrets erfüllt, da die neuen Zuständigkeiten automatisch in den Anwendungsbereich des Dekretes vom 26. Juni 2000 zur Schaffung eines Wirtschafts- und Sozialrates der Deutschsprachigen Gemeinschaft fallen.

Für die Verwaltung der Maßnahmen möchte die Regierung – dort wo es möglich und zulässig ist – auf ihre eigenen Verwaltungsbehörden (Arbeitsamt, IAWM, MDG) und kooperierenden Einrichtungen (bspw. WFG) zurückgreifen.

Dies ist beispielsweise der Fall für den „Rat für Wirtschaftliche Untersuchung in Sachen Ausländer“. Bei diesem Gremium handelte es sich um eine Einspruchsinstanz für Antragsteller auf eine Berufskarte, die aus einem Nicht-EU-Staat stammen. Ferner bildet dieses Gremium, das in mehrere Kammern unterteilt ist, eine Art Verwaltungsgerichtsbarkeit und kann bei Verfehlungen im äußersten Fall sogar das Unternehmen schließen. Die Regierung möchte in Analogie zum Verfahren bei den Arbeitserlaubnissen zu Gunsten von Arbeitnehmern aus Drittstaaten die Berufungsinstanz gegen Entscheidungen des delegierten Verwaltungsbeamten beim zuständigen Minister ansiedeln. In zweiter Instanz kann der Antragsteller eine Klage beim Staatsrat einlegen oder den Ombudsmann der DG anrufen. Bei knapp 5.000 Verwaltungsakten im Bereich der Arbeitserlaubnisse seit Übernahme der Beschäftigungszuständigkeit ist es in der Vergangenheit erst einmal zu einer Klage vor dem Staatsrat gekommen. Das einzige Verfahren ging zu Gunsten der DG aus. Bei höchstens 10 zu erwartenden Anträgen auf eine Berufskarte jährlich lohnt es sich nicht, ein eigenes Gremium zu schaffen bzw. künstlich am Leben zu halten. Allein die administrative Bestellung und Betreuung eines solchen Gremiums würde mehr Arbeitszeit kosten, als die Bearbeitung der eigentlichen Anträge in einem betriebsniederlassungsfreundlichen Umfeld. Auch die Kosten für die Spesen und Anwesenheitsgelder für ein solches Gremium würden – selbst wenn es nur einmal jährlich tagen würde –  die bescheidenen Verwaltungsgebühren übertreffen, die die DG dem Antragsteller in Rechnung stellen darf.

Ferner werden durch vorliegendes Dekret objektive Kriterien für die Bewilligung bzw. Ablehnung einer Berufskarte in das betreffende Gesetz eingefügt.

Der föderale Rat für die Sozialökonomie soll ebenfalls abgeschafft werden. Dieses Gremium sollte ein Beratungsorgan des föderalen Ministers für Sozialökonomie sein. Ferner sollte dieser Rat den Sektor vertreten. Unter den Vertretern des Sektors war auch der Arbeitskreis Sozialökonomie der DG vorgesehen. Dieser Rat hat bis dato jedoch nie getagt. Die gleichen Aufgaben könnten in der DG vom AKSÖ (Arbeitskreis Sozialökonomie) wahrgenommen werden.

Auch die Anerkennungskommission im Bereich des bezahlten Bildungsurlaubs wird in der DG nicht eingesetzt werden. Erfüllte die Kommission auf föderaler Ebene noch einen besonderen Sinn (angesichts der gesamtbelgischen Zuständigkeit für den bezahlten Bildungsurlaub und vor dem Hintergrund der unterschiedlichen durch die drei Gemeinschaften organisierten Ausbildungsangebote), so ist die Sinnhaftigkeit eines solchen Gremiums auf Ebene der DG eher zweifelhaft. Der für Ausbildungsfragen zuständige Fachbereich des Ministeriums verfügt  über das entsprechende Expertenwissen und ist in der Lage, es sachlich, objektiv und transparent einzusetzen. Eine externe Kommission wird diese Arbeit nicht wesentlich aufwerten können.

Die Kommission hatte neben der Anerkennungsaufgabe ebenfalls den Auftrag, halbjährlich die Budgetentwicklung im Bereich des bezahlten Bildungsurlaub zu verfolgen und bei einer negativen Budgetentwicklung direkt den Beschäftigungsminister zu informieren. Dieser war seinerseits verpflichtet, ein Dringlichkeitsgutachten beim Nationalen Arbeitsrat einzuholen. Das Dekret vom 25. Mai 2009 über die Haushaltsordnung der Deutschsprachigen Gemeinschaft legt jedoch in der DG die Bedingungen in Bezug auf die ständige Überprüfung der Ausführung des Haushaltes fest und bietet somit ausreichende Garantien, was die Überwachung der Budgetentwicklung im Bereich des bezahlten Bildungsurlaubs angeht.

Auch die Zuschussverwaltung für die Mittel im Bereich der Jugendbeschäftigungsmaßnahme (Emploi-jeunes) wird ab dem 1. Januar 2016 direkt durch die DG wahrgenommen. Das Ministerium hat in den letzten 15 Jahren zur Zufriedenheit von über 100 Arbeitgebern die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen autonom verwaltet. Es ist bereit, gewillt und in der Lage, dies auch für die „Emploi jeunes“-Maßnahme zu tun. Hierfür muss ebenfalls die entsprechende Rechtsgrundlage angepasst werden.

Neben den vorerwähnten Änderungen beinhaltet der Dekretentwurf ebenfalls eine Vielzahl rein technischer Anpassungen.

Die Verabschiedung des vorliegenden Dekretentwurfs ist somit ein erster Meilenstein hin zu einer Vereinfachung der Beschäftigungspolitik in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, so wie sie im Konsenspapier zu den 5-Parteiengesprächen ausdrücklich festgehalten wurde.

3. Finanzielle Auswirkungen:

Die Verabschiedung des Dekretes hat keine finanziellen Auswirkungen.

4. Gutachten:

Das Gutachten des Staatsrates Nr. 58.816/4 vom 10. Februar 2016 liegt vor.

In der ersten allgemeinen Bemerkung seines Gutachtens weist der Staatsrat darauf hin, dass die technischen Anpassungen, mit denen in den verschiedenen gesetzlichen Grundlagen das Wort „König“ durch das Wort „Regierung“ ersetzt werden soll, nicht nötig seien. Es wird insbesondere auf Artikel 52 des Gesetzes vom 31. Dezember 1983 über institutionelle Reformen für die Deutschsprachige Gemeinschaft und eine eventuelle Rechtsunsicherheit verwiesen. Deshalb schlägt der Staatsrat vor, entweder von diesen technischen Abänderungen abzusehen, oder aber sie mit großer Sorgfalt vorzunehmen und dabei die Anpassung an allen notwendigen Stellen einzuleiten, ohne dabei Befugnisse zu übertreten.

Es wird vorgeschlagen, weiterhin an den technischen Abänderungen festzuhalten. Tatsächlich führen sie zu einer besseren Lesbarkeit der Texte und listen präzise auf, welche die neuen Rechtsgrundlagen der DG im Beschäftigungsbereich sind. Ferner wurden diese Abänderungen in der Mehrheit der Fälle nur dann vorgenommen, wenn ohnehin eine inhaltliche Anpassung der Texte beabsichtigt wurde; die Anpassung erfolgt somit in der Tat mit größter Umsicht und Sorgfalt. Eine dahingehende Auslegung des vorliegenden Dekrets, dass technischen Anpassungen die Befugnisse der Deutschsprachigen Gemeinschaft ausdrücklich oder implizit erweitert würden, wäre ohne jeden Zweifel unzulässig und wird auch nicht beabsichtigt, sodass im Endeffekt keine Rechtsunsicherheit entsteht.

Die zweite Bemerkung des Staatsrates weist darauf hin, dass auf Ebene der Gliedstaaten in legislativen Rechtstexten unmittelbare Delegationen an ein Regierungsmitglied grundsätzlich nicht gestattet sind; die exekutive Gewalt obliege der Regierung. Diese Bemerkung wurde berücksichtigt: Im Dekretentwurf wurden die Verweise auf den Beschäftigungsminister durch Verweise auf die Regierung ersetzt.

Ferner wies der Staatsrat darauf hin, dass gemäß Artikel 6 §3bis Nummer 1 des Sondergesetzes vom 8. August 1980 zur Reform der Institutionen in gewissen Fällen eine Konzertierung mit der Föderalbehörde vorgesehen ist, darunter auch für Aspekte im Beschäftigungsbereich. Entsprechende Maßnahmen wurden bereits und werden weiterhin in die Wege geleitet.

Der Bemerkung des Staatsrates zur Notwendigkeit eines Zusammenarbeitsabkommens im Rahmen des bezahlten Bildungsurlaubs kann aus einem formaljuristischen Winkel zugestimmt werden. Tatsächlich sieht Artikel 92bis §4octies des Sondergesetzes vom 8. August 1980 vor, dass die Gemeinschaften und Regionen ein solches Abkommen abschließen müssen; dies soll zur Koordinierung zwischen den Bereichen Beschäftigung und Ausbildung dienen. Allerdings scheint der Staatsrat hierbei nicht zu berücksichtigen, dass auf dem deutschen Sprachgebiet diese beiden Bereiche in den Zuständigkeitsbereich ein- und derselben Behörde fallen; nämlich der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Insofern die Deutschsprachige Gemeinschaft keine Zusammenarbeitsabkommen mit sich selbst verabschieden kann, wird empfohlen, diese Anmerkung des Staatsrates – die, wie der Staatsrat in seinem Gutachten selber zugibt (siehe Fußnote 5) – aus dem Gutachten zum „Sammeldekretentwurf“ der Wallonischen Regierung stammt, nicht weiter zu berücksichtigen.

Schließlich ist auf fundamentale Bemerkung des Staatsrates zu den Artikeln 40 bis 53 einzugehen. Das Kapitel 15 des vorliegenden Entwurfs sieht mehrere Abänderungen des Gesetzes vom 30. April 1999 über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer vor. Tatsächlich wurde beabsichtigt, hier nicht nur rein technische Anpassungen vorzunehmen, sondern gleichzeitig auch auf Ebene der Deutschsprachigen Gemeinschaft für die Umsetzung der europäischen Richtlinie 2011/98/EU (und zwei weiterer Richtlinien) zu sorgen. Diese sieht die Einführung einer sogenannten „kombinieten Erlaubnis“ vor, das heißt eine Erlaubnis, die gleichzeitig als Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung gilt.

Die Tatsache beachtend, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft auf dem deutschen Sprachgebiet ausschließlich für den Teil „Arbeitsgenehmigung“ zuständig ist, während belgienweit der Föderalstaat für den Teil „Aufenthaltsgenehmigung“ befugt ist, hatte die geplante Abänderung lediglich als Ziel, der Deutschsprachigen Gemeinschaft die ausreichenden Grundlagen zu geben, um ein solches kombiniertes Dokument auf dem deutschen Sprachgebiet grundsätzlich zuzulassen. Es wurde keinesfalls beabsichtigt, auf die Befugnisse des Föderalstaats überzugreifen; es wurde im Gegenteil präzisiert, dass die Zuständigkeiten der Föderalbehörde „unbeschadet“ bleiben.

In seinem Gutachten kommt der Staatsrat nach einem längeren Zitat aus den Parlamentsdokumenten zum Sondergesetz zur Umsetzung der Sechstens Staatsreform zu der Feststellung, dass ausschließlich ein Zusammenarbeitsabkommen eine zufriedenstellende Lösung bieten kann, die der Europäischen Kommission als „Nationale Umsetzungsmaßnahme“ (NUM) mitzuteilen wäre. Dementsprechend folgert der Staatsrat, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft diese Frage nicht in Eigeninitiative regeln kann.

Aus rein rechtlicher Sicht ist dem Staatsrat bei dieser Analyse zuzustimmen. Tatsächlich gibt es auf föderaler Ebene eine Arbeitsgruppe, die sich unter Beteiligung der Regionen und der Deutschsprachigen Gemeinschaft seit mehreren Jahren bereits mit der Frage beschäftigt, wie die Richtlinie 2011/98/EU umgesetzt werden kann. Ein Resultat konnte in dieser Arbeitsgruppe jedoch bis zum heutigen Tage nicht erzielt werden. Die Gründe hierfür befinden sich eindeutig außerhalb des Einflussbereichs der Deutschsprachigen Gemeinschaft.

Andererseits gilt es auch festzustellen, dass die Europäische Kommission kürzlich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den belgischen Staat eingeleitet hat, um auf die Nichtumsetzung angemessen zu reagieren. Gleichzeitig beantragt sie vor dem Europäischen Gerichtshof die Verhängung eines Zwangsgeldes.

Vor dem Hintergrund, dass einerseits die Ausarbeitung eines Zusammenarbeitsabkommens eine gewisse Zeit benötigen wird und somit eine Verurteilung Belgiens nicht unmöglich erscheint, und dass andererseits nach einer belgieninternen Regelung die Gefahr besteht, dass der Deutschsprachigen Gemeinschaft – als mittlerweile (teil)zuständige Behörde – ein Teil des geforderten Zwangsgeld in Rechnung gestellt werden könnte, empfiehlt es sich sowohl belgienintern als auch gegenüber den europäischen Behörden zu signalisieren, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft auf ihrer Ebene alle möglichen Schritte unternimmt, um für die schnellstmögliche Umsetzung der Richtlinie zu sorgen. Diese Vorgehensweise wurde innerhalb der genannten Arbeitsgruppe abgestimmt: Auch die anderen Gebietskörperschaften werden in Kürze jeweils auf ihrer Ebene die Umsetzung der Richtlinie vornehmen.

Es wird daher vorgeschlagen, ungeachtet des Vorbehalts des Staatsrates die teilweise Umsetzung der Richtlinie 2011/98/EU auf Ebene der Deutschsprachigen Gemeinschaft in die Wege zu leiten. Die im vorliegenden Dekretentwurf aufgeführten Abänderungsartikel bieten hierfür eine Grundlage, die auf Erlassebene zu präzisieren sein wird. Um jedoch weiterhin in Absprache mit den anderen Gebietskörperschaften vorgehen zu können, wird gleichzeitig vorgeschlagen, dass diese Bestimmungen erst zu einem Zeitpunkt in Kraft treten sollen, den die Regierung bestimmt. So würde eine flexible Handhabung des Problems garantiert werden können, was angesichts des rechtlichen Risikos einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshofs in der Angelegenheit empfehlenswert erscheint.

5. Rechtsgrundlage:

Dekret vom 15. Dezember 2015 zur Abänderung verschiedener Dekrete im Hinblick auf die Ausübung gewisser Befugnisse der Wallonischen Region in den Angelegenheiten Beschäftigung und Denkmalschutz durch die Deutschsprachige Gemeinschaft.